I did it my way

„Alle sagten, es sei unmöglich. Doch dann kam einer, der das nicht wusste und hat es einfach gemacht.“

Das ist einer meiner Lieblingssprüche, vielleicht sogar ein Stück weit meine Lebensphilosophie. Zumindest haben die Dinge, die in meinem Leben am bestens geklappt haben, die für mich am erfolgreichsten und am schönsten waren, genau so funktioniert. Völlig unbedarft an eine Sache heranzugehen, eine große Begeisterung dafür zu haben, uneingeschränkt an sich zu glauben – ja, das würde ich tatsächlich als die wichtigsten Erfolgszutaten bezeichnen. Was Erfolg für mich persönlich bedeutet, dazu später mehr. 

Erst einmal möchte ich auf meinen Lieblingsspruch eingehen – und anhand eines meiner emotionalsten Erlebnisse erklären, warum er mir so sehr aus der Seele spricht. 

Es war der 13. Oktober 2013 – der Tag meines ersten Marathons. Seit vielen Jahre war ich zu diesem Zeitpunkt laufend unterwegs. Anfangs extrem spaßfrei. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mir 2007 Laufschuhe gekauft und diese Waldorf und Statler getauft habe. Die zwei schrulligen Herren aus der Muppet Show fand ich schon immer lustig – und dass meine Laufschuhe nun deren Namen trugen, sollte mich motivieren. Denn Laufen war einzig und allein Mittel zum Zweck. Ich war gerade vom Allgäu nach Düsseldorf gezogen, hatte meine rund siebenjährige Aerobictrainerin-Karriere beendet und brauchte etwas zum Fitbleiben.

Also drehte ich jeden Morgen, halbwegs widerwillig, eine kurze Runde, so ca. 30 Minuten. Nach ein paar Wochen wurde aus dem Widerwillen Wohlfühlen. Es machte mir sogar ein bisschen Spaß und fühlte sich richtig gut an – und war schließlich aus meiner Morgenroutine gar nicht mehr wegzudenken. Wie manche Menschen eine Stunde am Stück joggen konnten, war damals allerdings ein Rätsel für mich. 

Irgendwann geisterte dann aber das Wort „Marathon“ durch meinen Kopf. 42,195 Kilometer, ein Wahnsinn, der zum Wunschtraum wurde. Beim Wunsch sollte es aber erstmal bleiben. Als ich 2013 einen 6-Kilometer-Wettkampf vor meiner Haustüre in Hamburg-Blankenese, beim Heldenlauf, mitmachte, war ich angefixt. Dieses Wettkampf-Feeling war so genial, zudem wurde ich völlig unerwartet 3. Frau. So unerwartet, dass ich sogar meine eigene Siegerehrung verpasste.

Wenige Tage später meldete ich mich für den Köln Marathon an, der sechs Wochen später stattfand. An dieser Stelle sei schon mal vorsorglich gesagt, dass dies keine Empfehlung für eine Vorbereitung auf einen Marathon ist, aber es war eben mein Weg. Die folgenden sechs Wochen lief ich wie gewohnt – täglich, im gemütlichen Tempo, rund 8 bis 10 Kilometer, am Wochenende vielleicht 12 Kilometer. Ich kann die Distanz nur abschätzen, da ich keine Laufuhr oder -App nutzte. 

Als ich dann am 13. Oktober auf dem Weg von einer Bloggerreise in Koblenz nach Köln war (der Marathon lag praktischerweise eh auf dem Weg), recherchierte ich erstmals zum Thema Marathontraining. In diversen Foren las ich etwas über „lange Läufe“, so um die 25 bis 30 oder noch mehr Kilometer. Kurz fing ich an zu grübeln. Hätte ich das vielleicht auch machen sollen? Schnell verwarf ich den Gedanken aber wieder und konzentrierte mich auf meine Vorfreude.

Auf dem Weg zu meinem ersten Marathon in Köln

In Köln traf ich mich mit meiner geliebten Mama, die extra aus Bayern angereist war. Auf dem Weg zum Startbereich überboten wir uns gegenseitig mit unserer Aufregung. Schon vor dem Startschuss hatten wir ein Erlebnis, über das wir jahrelang lachten. Zur Zeitmessung gab es einen Chip, der am Schuh befestigt werden muss. Ich behaupte, das weiß jede/r Läufer/in, der/die an einem Wettbewerb teilnimmt. Wir beide hatten aber keine Ahnung. Als ich zu meiner Mama sagte, dass ich den Chip in die Jackentasche stecke, hörte dies glücklicherweise ein Teilnehmer. „Wenn du eine Zeitmessung möchtest, solltest du den Chip am Schuh befestigen“, unterrichtete er mich. Ich bin ihm heute noch dankbar.

Ein weiteres Highlight: Aufgrund der kühlen Temperaturen und des vorhergesagten Regens schleppte meine Mama während meines Rennens einen riesengroßen Rucksack mit sich herum – mit Wechselklamotten, falls ich mich unterwegs umziehen möchte. 

Doch ich wollte mich nicht umziehen. Ich wollte nicht einmal stehen bleiben. Zwar hatte ich mehrere Gehpausen eingeplant, doch es lief einfach großartig. Ich genoss die Stimmung an der Strecke, die Zurufe der Zuschauer und dass mich meine Mama an mehreren Stellen anfeuerte. Als ich die 30 Kilometer-Marke passiert hatte und wusste, dass ich es nun auch walkend unter dem Zeitlimit von 6 Stunden ins Ziel schaffen würde, kamen die großen Emotionen. Ich laufe hier und heute einen Marathon. Unfassbar. Die Emotionen wurden von Kilometer zu Kilometer größer, und als ich kurz vor der Zielgerade meine Mama abklatschte, ging ein ganz großer Traum in Erfüllung. Ich bin ein Marathoni. Habe die 42,195 Kilometer in 4:14:26 Stunden geschafft. Ohne großen Kampf, ohne (Geh-)Pausen, dafür mit riesengroßer Freude. 

Wie bereits erwähnt, ich möchte mit dieser Geschichte niemanden für einen Marathon ohne gezieltes Training motivieren. Doch ich möchte motivieren – andere Menschen und immer wieder mich selbst – dass so, so viel möglich ist, wenn man eine Begeisterung und eine Leidenschaft in sich trägt. Wenn man uneingeschränkt an sich glaubt und sich nicht von „anderen“ beirren lässt. Ich hatte keine Ahnung, wie man richtig auf einen Marathon trainiert. Lauf-Experten hätte mir garantiert gesagt, dass ich niemals einen Marathon schaffen kann, wenn ich zuvor nie länger als 12 Kilometer am Stück gelaufen bin. Aber ich bin jahrelang gejoggt, habe meinen Körper jeden Tag (unbewusst) auf diesen großen Tag vorbereitet. Diese Grundlagenausdauer war natürlich das A&O für diese Herausforderung – denn ohne körperliche Fitness hilft auch die größte Leidenschaft nicht, um 42,195 Kilometer zu rennen. 

Und genau so ist das doch mit (fast) allem im Leben. Ich muss meinen Körper und ebenfalls meinen Geist fit machen. Eine Basis schaffen. Ohne Fundament ließe sich das schönste Schloss nicht bauen. Wenn ich ein Buch auf Englisch schreiben möchte, muss ich erst einmal die Sprache lernen. Wenn ich Auto fahren will, brauche ich den Führerschein. Gute Gedanken und eine Leidenschaft allein reichen nicht, aber sie sind meiner Meinung nach der Motor. Nie werde ich die Worte des Pfarrers bei der Messe am Vortag des Hamburg Marathons 2016 vergessen: „Der Glaube und die Begeisterung, so bin ich überzeugt, können Berge versetzen.“ 

Natürlich kann man im Leben nicht nur Dinge tun, die Spaß machen. Aber in so vielen Dingen haben wir die Wahl – und können uns das aussuchen, für das wir brennen. Für etwas zu brennen, ist für mich der entscheidende Erfolgsfaktor. Doch was ist eigentlich Erfolg? Viel Geld, Ansehen, Instagram-Follower? Das mag bestimmt für einige Menschen zutreffen. Und klar, auch ich strebe nach finanziellem Wohlstand, möchte von anderen gemocht und gerne ab und zu bewundert werden. Aber der größte Erfolg ist für mich, mein Leben so zu gestalten, dass ich mich wohlfühle. Dass ich morgens gerne aufstehe, dass ich abends mit einer Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett gehe. Dass ich Dankbarkeit spüre und meine ganz persönlichen Ziele erkennen (!) und umsetzen kann. Und dass ich irgendwann einmal, in der letzten Minute meines Lebens, aus vollstem Herzen sagen kann: I did it my way. 

Eine Antwort

  1. Robby sagt:

    Als ich in Hamburg 2001 meinen ersten Marathon lief, hab ich beim Umkleiden und Anbringen der Startnummer, mir 2x hintereinander die Sicherheitsnadeln für die Startnummer, in meine Brustwarzen gepiekst, tat mega weh und vor dem Start sah ich einen Läufer der vor einem Spiegel stand und seine Stoppelfrisur mit Gel etc in Stellung brachte, wozu auch immer 🙂

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