Lieblingsfluss und Fluss des Lebens

Die Elbe – mein Lieblingsfluss. In Summe habe ich rund acht Jahre in Hamburg gelebt, davon den Großteil in Elbnähe. Das war auch mein Kriterium: “Nur wenn ich eine Wohnung unweit der Elbe finde, will ich bleiben”. Denn die Elbe ist Lebensqualität. Morgens, mittags, abends, nachts – ich war zu allen Tageszeiten dort. Bei jedem Wetter. Sturm, Starkregen, Hitze – alles okay, wobei es bei Sonnenschein natürlich am schönsten ist.

Morgens zum Sonnenaufgang an der Elbe entlang zu rennen – das ist Soulfood vom Feinsten. Wenn auch noch Niedrigwasser ist – ja, auch an der Elbe gibt es Ebbe und Flut –, kann man direkt am Wasser auf relativ hartem Sand laufen. Dazu das Rauschen des Wassers, Wellengang, wenn Schiffe passieren, ein Hauch von Nordseeluft… Das klingt ein bisschen poetisch, aber es fühlt sich einfach auch so an. So verdammt gut.

Ich bin ein Bergkind, zumindest in Anbetracht meines Geburts- und aktuellen Wohnortes. Mein Herz schlägt dennoch ein bisschen mehr fürs Wasser. Insbesondere für das Meer. Und der Elbstrand ist immerhin nah dran am Meer – räumlich und was das Gefühl angeht. Zudem hat ein Fluss für mich etwas Beruhigendes, aber auch was Weltoffenes. So oft, wenn ein Schiff – egal, ob Kreuzfahrt- oder Containerschiff – an mir vorbei fuhr, habe ich überlegt, wohin wohl die Reise geht. Welche Geschichten diese Reise wohl schreiben wird.

Wasser ist Leben, ein Fluss ist in ständiger Bewegung. Meine Mama hat mir oft geraten, mich dem Fluss des Lebens hinzugeben. Nicht im Sinne von “sich ergeben”, sondern offen sein für Veränderungen, die das Leben mit sich bringt. Für Entwicklungen, die so wertvoll sind. Für Erlebnisse, die einen weiterbringen. Mutig und ohne Angst dem Fluss des Lebens zu vertrauen. Gerade Letzteres fällt mir nicht immer leicht. Erst recht nicht, seit dem Tod meiner Mama.

Aber ich bin der Meinung, dass es das Leben gut mit mir meint. Mit jedem hier. Auch die schlimmen Dinge und schmerzhaften Erfahrungen sind wertvoll, weil sie uns weiterbringen. Weil sie einfach zum Leben dazugehören. Ich muss mir das im Moment oft einreden, weil mein Gefühl das etwas anders sieht, doch mein Verstand ist davon überzeugt.

Meine Mama hat immer von der “Rolle unter dem Arm” gesprochen, mit der jede/r hier her kommt. Quasi mit dem Lebensplan. Die Länge der Rolle ist vorgegeben, den Inhalt hat jede/r selbst in der Hand. Daran glaube ich ganz fest. Auch wenn das in Krisensituationen echt nicht einfach ist und man sich doch “gerne” als Opfer fühlt (obwohl ich solche Gedanken schnell wieder verscheuche).

Für mich ist die Elbe – wie auch viele andere Flüsse – ein Kraftort. Dort entlangzulaufen, zu spazieren, einfach mal dasitzen, das gibt mir super viel. Ich würde mich übrigens als “bodenständig-spirituell” bezeichnen, wobei Spiritualität eh ein Begriff ist, der sich nicht allgemeingültig definieren lässt und den ich auch gar nicht sooo gerne mag. Klar, ich glaube an Schutzengel, Krafttiere und eben Kraftorte und noch so einiges mehr, aber ich meditiere nicht, finde auch mal alles scheiße und sammle an machen Tagen wohl massenhaft negative Karmapunkte.

An was ich ebenfalls glaube bzw. gerne mag: Rituale. Etwa die rote Unterhose, die ich bei einem Laufwettkampf trage (mittlerweile hat sie allerdings so viele Löcher, sodass sie evtl. ausgetauscht werden muss). Oder wenn ich etwas loslassen möchte, schreibe ich es auf einen Zettel und lege diesen in den Gefrierschrank (auf diese Weise habe ich schon diverse Männernamen “auf Eis gelegt”) oder ich klebe meinen Brief an einen Stein, den ich dann in den Fluss werfe. Die Elbe hat schon einiges mitgenommen. Mitgenommen und aufgelöst. Ein gutes Gefühl.

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