Ich bin beim Shoppen ja sehr taff: Volle Fußgängerzonen, stickige Boutiquen und Schlangen vor den Umkleidekabinen stressen mich höchst selten. Selbst eine männliche Begleitung, die mit Leidensmiene auf dem Hocker vor der Umkleidekabine nörgelt, würde meine Nerven nicht strapazieren. In Brighton allerdings, war ich schon nach den ersten Minuten meines Einkaufsbummels überfordert. Allerdings war es eine coole Überforderung, eine von der Sorte “man gar nicht weiß, wo man zuerst hingucken oder hinrennen soll, weil alles so toll, so bunt, so verrückt, so anders ist”.
Brighton – ich hatte kurz vor meinem Abflug nach London recherchiert: Es ist das größte und bekannteste Seebad in England, sagt Wikipedia. Das klingt erst mal so spannend wie Laubsaugen. Aber ich freue mich trotzdem. Nach zwei Tagen Aufenthalt in Englands Hauptstadt sitze ich also neugierig im Zug gen Seebad, rund eineinhalb Stunden dauert die Fahrt.
Als mich das Taxi zum Fab Guest (Charlotte St, Brighton, East Sussex BN2 1AG) kutschiert, ein kleines, gemütliches Gästehaus in unmittelbarer Küstennähe, bekomme ich einen ersten Eindruck von der Stadt mit ihren rund 155.000 Einwohnern. Viele Brightoner arbeiten in London, pendeln jeden Tag hin und her.
Die Atmosphäre hier hat etwas Entspanntes, etwas Gemütliches, kein Vergleich zu der aufregenden Mega-Metropole London. Zwar finde ich nicht, dass die britische Hauptstadt anstrengend ist, viel Trubel herrscht trotzdem. Nicht so in Brighton. Kurz hatte ich den Verdacht, in ein verschlafenes Nest gereist zu sein. Stimmt aber nicht.
Auf dem Weg von meiner Bleibe in Richtung Innenstadt komme ich alle zwei Meter in Versuchung, stehen zu bleiben. Unzählige kleine Geschäfte mit Klamotten, Schuhen, Accessoires und Co. können einfach nicht ignoriert werden. Als ich mich dann im Zentrum befinde, steigt meine Shoppinglaune um ein Vielfaches. Auf den „Lanes“, den verschachtelten, wunderschönen Gassen, reiht sich ein Store an den nächsten – es scheint, als würden sich die Händler auf der Bond oder Gardener Street mit verrückter Ware überbieten wollen.
Der eine Laden bietet das Tüllkleid im Biene-Maja-Style an, der andere einen Pilz als Handtasche. Neben den schrillen Klamotten und Accessoires ersteht man Second-Hand- und Lederware oder allerlei Kunsthandwerk. Ich entscheide mich für einen Pullover mit Tigerkopf. Für Brighton normal bis langweilig – ich finde mich trotzdem ein bisschen cool. Ich könnte hier mein Geld wirklich im Minutentakt raushauen. Glücklicherweise war mein Koffer bereits bei der Abreise in Hamburg so voll, sodass eine Shopping-Eskalation von vornherein unmöglich ist. Auf der Western Road sammeln sich die „normalen“ Geschäfte, etwa Ketten wie H&M oder Primark. Ich verzichte.
Mittags speise ich in Bill‘s Restaurant and Cafe (The Depot, 100 N Rd, Brighton, East Sussex BN1 1YE). Ich ordere zwar einen Salat, wer aber typische englische Kost liebt, wird in Brighton natürlich auch fündig. Fish, Chips und Co. stehen wohl auf allen Speisekarten der vielen kleinen Restaurants. Meine obligatorischen zwei (bis vier) Kugeln Eis werde ich nachher bei Gelato Gusto (2 Gardner St, Brighton BN1 1UP) futtern.
Brighton heißt im Zweitnamen „London by the Sea“. Erst einmal würde ich sagen, die beiden Städte London und Brighton haben so ziemlich gar nichts gemeinsam. Doch nach meiner 28-stündigen Anwesenheit werfe ich diese Meinung über den Haufen. London versprüht für mich trotz Großstadtdschungel eine Gelassenheit und Selbstverständlichkeit. Alle zwei Minuten ertönt das Martinshorn, am Wochenende schieben sich Menschenmassen über die Oxfordstreet, am Trafalgar Square-Brunnen hocken die Touris wie die Ölsardinen – doch das ist eben so. Punkt.
Diese Lässigkeit, wenn auch anders und noch viel ausgeprägter, spüre ich ebenfalls in Brighton. Da wären diese Stammtisch-Atmosphäre in den Lokalen, die kunterbunt gestalteten Schaufenster oder der Verkäufer eines Geschäfts, der mich gleich in ein Gespräch verwickelt. Und sagt, dass seine Ware eigentlich viel zu teuer sei. Außerdem ist Brighton für seine Toleranz und Offenheit gegenüber Homosexuellen bekannt und wohl eine Hotspot der Gay-Szene.
Bestimmt sehenswert, aber mit meinem Zeitbudget leider nicht mehr möglich, war ein Besuch des königlichen Palast, der bereits von außen ein Blickfang ist. Die Optik erinnert ein bisschen an Taj Mahal, im Inneren regiert ein chinesisches, exotisches Design (was mir ja verborgen blieb). König Georg IV ließ den Pavilion zwischen 1815 und 1822 als Sommerresidenz errichten.
Was ich nicht ausließ – nein, davon kann mich kein Geschäft der Welt abhalten – sind ein ausgiebiger Morning-Run sowie ein Strandbummel. Mega! Denn in Brighton gibt es nicht bloß Wasser, Sand und Steine, sondern obendrein den Brighton Pier, ein Vergnügungsareal direkt am Meer. Wer mag, kann hier seine Gambling-Leidenschaft in allen erdenklichen Facetten ausleben. Da für mich der Spaß schon beim Kreuzworträtsel und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht aufhört, verzichte ich lieber.
Meinen Adrenalin-Kick würde ich mir gerne auf andere Art und Weise holen: beim Brighton-Marathon. Vielleicht im Biene-Maja-Look, mal sehen. Auffallen würde ich dabei garantiert nicht.