Warum mich Johannesburg so bewegte

Dreimal reiste ich bereits nach Südafrika, in dieses faszinierende Land. Zweimal nach Kaptstadt, einmal nach Johannesburg. Mein Herz blieb hängen. Hängen in einem Land, das mich in vielerlei Hinsicht fesselte.

Die Menschen, die Tiere, die Landschaft. Der Lifestyle und die Sportverrücktheit in Kapstadt, der Spirit von Johannesburg, das Gesamtpaket. Was mich in Johannesburg, in „Jozi”, so bewegt hat, lest ihr hier. 

Die Menschen 
Die Begegnungen mit Menschen zählen auf meinen Reisen stets zu den Höhepunkten. Es gibt nichts spannenderes, als den Lifestyle, die Einstellungen, Emotionen von Leuten außerhalb der Heimat kennen zu lernen. Oft beschert mir das einen neuen Blickwinkel, lässt mich Meinungen überdenken oder meine Lebensumstände mehr wertschätzen. In und um Johannesburg begeisterten mich die Einheimischen ganz besonders. In Gesprächen kommt man schnell auf das Thema Vergangenheit. Schön war sie nicht, mitnichten. Geprägt von Apartheid, Diskriminierung, Gewalt und Kriminalität. “Wir sind noch lange nicht am Ziel”, lautet die einhellige Meinung. Gerade die hohe Arbeitslosigkeit stellt ein gravierendes Problem dar. Die Quote liegt bei 29 Prozent, in den Townships von Johannesburg teils bei 60 bis 70 Prozent (* im Jahre 2013). Doch die Joburger glauben an ihr Land, ihre Stadt. An den Wandel.

Um sich ein paar Rand zu verdienen, beweisen die Joburger Kreativität. Etwa Haareschneiden am Straßenrand, der Strom für die Gerätschaften wird aus Autobatterien bezogen. Auch ich sichtete ein paar mobile Friseurstationen. “Man soll die Vergangenheit nicht vergessen. Aber wir feiern lieber, dass wir heute ein freies Land sind”, heißt es aus der Bevölkerung.

Sogar eine Pflanze, der Büffeldornbusch, verkörpert diese Einstellung. An den Ästen befinden sich kleine Dornen, mit einem Haken nach hinten. So zeigen die Dornen in die entgegengesetzte Richtung wie der Ast – à la “nach vorne blicken, ohne die Vergangenheit zu vergessen”. Ich finde jedenfalls, Jozi, ja, ganz Südafrika darf und soll stolz sein. Immerhin wurde ein großes Ziel, ein Meilenstein erreicht. Diskriminierung, sagte man mir, existiere nicht mehr. Egal welche Kultur, egal welche Hautfarbe – alle würden gleich behandelt. Ich möchte es so gerne glauben.

Street Art in Johannesburg
Bei meinem Bummel durch Johannesburg sah ich sie allerorts: die bunten Kunstwerke, die mich jedes Mal aufs Neue faszinierten. Street Art, ich liebe es! Immer wieder bin ich angetan, welch großes Talent in den Akteueren steckt. Ich besitze ebenfalls eine Staffelei, male hin und wieder ein Bildchen. Sonnen ganz besonders gerne. Doch meine Meisterwerke erinnern eher an Kindergartenzeiten. Eine nennenswerte Verbesserung kann ich bei meiner sporadischen Malerei nicht erkennen. Meine Bewunderung ist diesen Street Art Artisten also gewiss.

Zudem sehe ich es als große Bereicherung für eine Stadt. Die farbfrohen Meisterwerke – und damit meine ich nicht wild dahin gekitzeltes Graffiti unter irgendwelchen Brücken – verschönern eine Stadt ungemein, verleihen ihr eine besondere Note. Dieser Meinung war offensichtlich auch die Stadtverwaltung von Johannesburg. Von oberster Stelle bekamen einige Street Art Künstler den Auftrag, ihre Passion an diversen Plätzen und Bauwerken auszuleben.  

Street Art in Jozi

Liliesleaf und die Begegnung mit Denis Goldberg
Per Bus fuhr ich von Johannesburg zum Vorort Rivonia, nach Liliesleaf. Es sind rund 30 Minuten Fahrtzeit. Auf den ersten Blick sieht es dort ganz idyllisch aus. Ein kleines Ressort, viel Grün, ein paar Jacaranda-Bäume sorgen für hübsche Farbtupfer. Ich liebe diese Bäume. Eigentlich ein Ort zum Wohlfühlen. Eigentlich.

In Liliesleaf nahm ich an einer interaktiven Führung teil, wandelte quasi auf den Spuren von Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela und weiteren Freiheitskämpfern.  In ihrem Kampf gegen das Apartheids-Regime sammelten sich hier die Mitglieder des Umkhonto we Sizwe (“Speer der Nation”, Kurzform MK). Es war der militärische Arm des verbotenen African National Congress (ANC). Zwei Jahre lang, von 1961 bis 1963 hielten sie dort ihre geheimen Treffen ab. Planten die Operation Mayibuye, den bewaffneten Widerstand gegen Diskriminierung, Unterdrückung und Menschenverachtung. Um keinen Verdacht zu erwecken, zog gleichzeitig eine weiße “Vorzeigefamilie” mit ein. Der Künstler Arthur Goldreich war es, dem die Farm Liliesleaf offiziell gehörte. Nelson Mandela, unter dem Namen David, arbeitete dort als Gärtner. Zum Schein.

Der Plan ging allerdings nicht auf. Am 11. Juli 1963 stürmten Polizisten das ANC-Quartier, nahmen die Männer fest. Nelson Mandela saß zu dieser Zeit eine Haftstrafe auf Robben Island ab. Beim Rivonia Trial wurden er und die zehn weiteren MK-Mitglieder verurteilt, zu lebenslangen Haftstrafen, sie saßen zwischen 22 und 27 Jahren im Gefängnis. Unter ihnen, als einzig Weißer, befand sich auch Denis Goldberg. Und er war es, neben dem ich in Liliesleaf zu Mittag essen durfte. Ein Zeitzeuge, eine unglaubliche Persönlichkeit. Er erzählte von seinen Erlebnissen, aus seinem Leben. Sein Deutsch ist nahezu perfekt. Was für eine Persönlichkeit! Mit viel Herzlichkeit, Humor, ohne jegliche Verbitterung. Noch nie aß ich mit solch zittrigen Fingern einen Salat. 
(Als ich von seinem Tod am 29.4.2020 erfahren habe, machte mich das sehr traurig. Ich werde diesen Menschen und diese Begegnung für immer in bester Erinnerung behalten.)

Mittagessen mit Denis Goldberg

Constitution Hill und die Begegnung mit Prema Naidoo
Es war bewegend und beängstigend zugleich. Der Besuch der Constitution Hill war nicht jenes Erlebnis, das man mit einem Lächeln im Gesicht mitnimmt. Vielmehr drückt die Stimmung ziemlich aufs Gemüt. Denn Constitution Hill diente einst als Gefängnis, das Old Fort Gefängnis, in dem auch Nelson Mandela und Mahatma Gandhi inhaftiert waren. Weil sie für die Freiheit kämpften.

Wer sich für die Geschichte Südafrikas interessiert, darf einen Besuch der Constitution Hill jedenfalls nicht auslassen. Meine Führung begleitete Prema Naidoo. Ein ehemaliger politischer Häftling. Fast seine ganze Familie teilt dieses Schicksal. Doch von Verbitterung oder Rachsucht keine Spur. Er sprach sachlich, immer wieder lächelte er. Obwohl seine Geschichten größtenteils sehr traurig sind.
Unmenschliche Zustände herrschten einst im Old Fort Gefängnis.

Als Prema erzählte, wie er sich vor Haftantritt ausziehen musste, gedemütigt wurde, stockte mir der Atem. Genauso als ich sah und hörte, wie sich die Häftling ernähren mussten. Es erinnert fast an einen Futtertrog. Schwarze bekamen ein anderes Essen als Weiße. Ein minderwertigeres. Ich fasse es kaum. Wie können Menschen so etwas aushalten? Über Jahre? Mit dem Wissen, dass man kein Verbrecher ist. Ich zolle höchsten Respekt. Prema haderte nicht. “Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Aber wir müssen sie loslassen, nach vorne schauen”, sagte er. Sätze, die ich mehrfach in Südafrika hörte. Sätze, die ich maßlos bewundere.  

Constitution Hill

Wild Life 
Ich bin ein Tierliebhaber, so was von! Bereits als Kind nervte ich meine Mama ständig mit einem neuen Wunsch. Wellensittich, Katze, Hamster. Am liebsten ein eigenes Pferd. Heute ist ein Esel mein Spitzenreiter. Und sobald ich eine Möglichkeit habe, werde ich mir diesen Traum erfüllen. Somit war ich auch restlos begeistert von all den Tieren in Südafrika. Insbesondere meine Begegnung mit den Elefanten. Ihnen so nah zu kommen, hat mich emotional fast umgehauen. Aber genauso faszinierten mich die Zebras, Giraffen, Nashörner, Hippos, schlafenden Löwen&Co. im Pilanesberg National Park. Oder der Affe, der mich in Sun City bei meinem Morning-Run überholte. Diese Erlebnisse werde ich niemals vergessen – die Erlebnisse und die Tiere und vor allem die Menschen.

Big love. “Tierattraktionen” sind für mich allerdings ein sehr sensibles Thema. Weil sie fast alle NICHT zum Wohle der Tiere, sondern nur für Touristen sind. Im Pilanesberg Nationalpark leben die Tiere mehr oder weniger wie in freier Wildbahn. Die Begegnung mit den Elefanten sind für mich dabei aber eine Art “Grauzone”. Auch sie leben in keinem Gehege. Ob der ihnen der Kontakt mit den Menschen gefällt, fraglich. Für mich war es ein sehr besonderes Erlebnis, ich werde es aber als etwas einmaliges belassen.

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