Per Leiter auf den Löwenkopf

Ich ziehe mein Cap an, die Sonne brennt mir jetzt schon gnadenlos auf den Schädel. Schnell schmiere ich mir noch ein bisschen Sonnencreme auf die Schultern, dann kann es losgehen. Nach einer kurzen Anfahrt über die Kloof Nek Road (Beschilderung “Signall Hill und Lion’s Head” folgen!), heißt unser Ziel Lion‘s Head, Löwenkopf, weil er ähnlich majestätisch aussieht. Fast möchte man sagen, es ist der kleine Bruder des Tafelbergs. Vergleiche sind hier aber nicht angebracht. Beide Berge stehen für sich, im wahrsten Sinne des Wortes. 

Mein Begleiter meinte, dass meine Laufschuhe ausreichen, mit selbigen rannte ich kurz davor zehn Kilometer durch Gugulethu, ein Township von Kapstadt. Wenn ich zum Berggipfel empor blicke, macht sich ein Hauch von Skepsis breit. Bergschuhe wären bestimmt weit mehr angebracht. 

Die ersten Meter sind gemütlich. Steil, aber bequem zu gehen. Wir sind mittlerweile zu viert unterwegs, meine südafrikanischen Freunde und ich. Zudem ist Maja, ein kleiner Hund, ebenfalls mit von der Partie. Oben wollen wir ein Picknick machen. Ich freue mich – und bin ein bisschen nervös. Heute Abend startet mein Flieger nach Deutschland, leider. Wie gerne würde ich bleiben, wenigstens noch ein bisschen. Trotzdem möchte ich nicht irgendwo am Berg feststecken bleiben. Wenn ich mir die Felswände so angucke, die ich gleich bezwingen muss, liegt diese Befürchtung nahe. 

„Are you okay?“, werde ich gefragt, als ich auf einer Leiter stehe, mein Gesichtsausdruck muss Bände sprechen. Ich stehe also tatsächlich an einer Felswand, auf einer Leiter, hangle mich von Sprosse zu Sprosse. An einem Seil gesichert bin ich nicht. Der Hundevater trägt Flip Flops und klemmt eben mal kurz Maja unter den Arm. Vielleicht gucke ich auch deshalb so schräg. „Yes I‘m fine“, antworte ich und versuche voll gelassen zu grinsen. Zum Glück kann niemand meinen Adrenalin-Pegel messen.

Mein Gipfelsturm erscheint mir endlos. Jedem (Kletter-)Abschnitt folgt ein weiterer, ich kämpfe mehr und mehr mit meiner Höhenangst. Aufgeben? Von wegen! Die Aussicht über Cape Town ist viel zu großartig, außerdem hat mich der Ehrgeiz gepackt. Und wenn ich die vielen Wanderer hier sehe, relativiert sich meine Ehrfurcht vor dem über 600 Meter hohen Felsen eh. Flip Flops scheinen hier ein gängiges Schuhwerk zu sein. 

Tatsächlich komme ich ganz oben an. Gleich latsche ich zu einer bemalten und beschriebenen Säule, ich will sie einmal berühren. Das macht man so, lasse ich mir sagen. Dann widme ich mich dem Ausblick, Wahnsinn! Alleine deshalb ist der Lion‘s Head Pflicht. Die gleichen Glücksgefühle hatte ich zwar auf dem Tafelberg, doch wenn man zu Fuß hinauf gestiegen ist, steigert sich die Begeisterung um ein Weiteres. 

Zum Vergleich: Aussicht vom Tafelberg

In puncto Genuss war das aber noch nicht alles. Mit Sektglas in der Hand und Humus samt Kräcker; mampfend fühlt sich die Rast wirklich wie im siebten Himmel an. Leicht nervös werde ich hingegen, als ich dann auf die Uhr schaue. Mein Flug geht in gut fünf Stunden. Nun darauf zu drängen, dass man gehen „möchte“, grenzt an Absurdität. 

Der Weg ins Tal gestaltet sich wesentlich leichter. Möglicherweise bin ich einfach nur gelassener. Die Leitern klettere ich fast beschwingt hinab – ob das am Sekt liegt? – wäre da nur diese blöde Abschied nicht. Diese Gedanken werden aber bestmöglich verscheucht. Die letzten Meter will ich einfach genießen. Und mich vorfreuen. Denn ich kommen wieder, das habe ich dem Löwenkopf versprochen. Und wer weiß, vielleicht sogar in Flip Flops… 

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